Der Etruskerdolch by Manfred Böckl

Der Etruskerdolch by Manfred Böckl

Autor:Manfred Böckl [Böckl, Manfred]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-03-17T16:00:00+00:00


DIE HAFENSTADT

Der Abschied von Pavia war Björn und Adjana schwergefallen – und dies nicht nur wegen der Enttäuschung, die das Dienerpaar gezeigt hatte, nachdem die junge Frau und ihr Gefährte sich so unvermittelt zum Weiterritt entschlossen hatten. Schlimmer noch war die Stunde an der Grabstätte von Adjanas Angehörigen gewesen. Zum Schutz vor neugierigen Blicken in einen Kapuzenmantel Benedettas gehüllt, hatte die letzte Überlebende des Hauses Monte Amiata lange vor der Adelsgruft auf dem Friedhof der Basilika San Michèle gestanden, wo die sterblichen Überreste ihrer Eltern und ihres Bruders Tarquinio ruhten. Bleich und erschüttert hatte sie sich zuletzt von Steenholm wegführen lassen. Selbst in der Herberge noch, als sie Ludovico den Mantel zurückgegeben und anschließend ihre Pferde reisefertig gemacht hatten, hatte Adjana große Mühe gehabt, das Schluchzen zu unterdrücken.

Nun allerdings, da das Südtor der Stadt bereits einige Meilen hinter ihnen lag und der Galopp über das flache Land ihr Blut schneller kreisen ließ, gewann die junge Frau ihre innere Spannkraft zurück. Sie erinnerte sich an die vielen anderen Herausforderungen, die sie an der Seite Steenholms bereits durchgestanden hatte. Mehr als einmal hatten sie dabei dem Tod ins Auge geblickt und hatten zuletzt doch über ihn triumphiert, weil sie sich unabdingbar aufeinander verlassen konnten. Und auch jetzt würde es wieder so sein; sie würden die Mörder jagen und zur Strecke bringen, und dann würde vielleicht auch der Schmerz nicht mehr so grausam bohren, wenn sie erneut vor der Familiengruft der Monte Amiata stand …

Nach ungefähr eineinhalb Stunden erreichten sie die Stelle, wo der Ticino in den Po mündete, und setzten auf einer Fähre ans südliche Ufer des großen Stromes über. Die Sonne stand mittlerweile bereits tief, doch ehe sie hinter den Hügeln im Westen versank, legten Björn und Adjana noch einmal eine beachtliche Wegstrecke zurück. Im letzten Tageslicht sahen sie ein Dorf vor sich und fanden dort Quartier in einer Taverne, in deren Hinterhof es auch einen Schuppen für die Pferde gab.

Nachdem die Tiere vorsorgt waren, setzten Adjana und der Schwede sich noch eine Weile in eine offene Laube, die im Garten des Anwesens unter einer mächtigen Edelkastanie stand. Der Ritt hatte sie hungrig gemacht; während sie im Schein eines Windlichts das grobe Landbrot, den Schafskäse und die in Öl eingelegten Oliven genossen, fiel die Anspannung des Tages allmählich von ihnen ab. Je mehr sie zur Ruhe kamen, um so deutlicher wurde ihnen bewußt, wie sehr die Dinge sich seit der vergangenen Nacht überstürzt hatten.

»Ich habe das Gefühl, als seien wir eben noch in der Turmburg gewesen und ich hielte die Laren meiner Ahnen in Händen«, bemerkte Adjana leise. »Ebenso glaube ich noch immer die Stimmen von Benedetta und Ludovico zu hören und das Grab meiner Angehörigen vor mir zu sehen. Wenn ich nach Norden schaue, meine ich, es müßten dort unter dem Sternenhimmel die Türme von Pavia zu erkennen sein, auch wenn mein Verstand mir sagt, daß inzwischen mindestens zwanzig Meilen zwischen uns und meiner Heimatstadt liegen.«

»Vielleicht hätten wir uns doch noch einen weiteren Tag in Pavia gönnen sollen«, erwiderte Björn verständnisvoll.



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